Traumatherapie
Nach meinen langjährigen Erfahrungen besteht eine der wichtigsten Aufgaben der Traumatherapie darin, die Patienten dabei zu begleiten, die ihnen eigenen Selbstheilungskräfte, die durch ein Trauma oftmals verschüttet worden sind, wieder zu finden, zu aktivieren und zu stabilisieren.
Im Rahmen meiner unterschiedlichen traumatherapeutisch orientierten Weiterbildungen habe ich erkannt, dass ein vielfältiges Handwerkszeug bei der Bearbeitung von traumatischen Erlebnissen sehr
hilfreich sein kann, „die einzelnen Puzzlesteine“ kontrollierbar zusammenzutragen, um die Trauma-Geschichte als Gesamt-Geschichte im Gedächtnis „ablegen“ zu können, deren überwältigende
Macht im Laufe des Behandlungsprozesses an Kraft verloren hat.
Ressourcenorientierte, traumazentrierte, imaginativ-hypnotherapeutische und integrierte körpertherapeutische Ansätze, wie Somatic Experiencing, sowie Trauma-Expositionstechniken, Screen-Technik
u.a. ergänzen sich in meiner Arbeit.
Die vier Phasen der Traumatherapie
Die Traumatherapie umfasst vier Behandlungsphasen, die nicht statisch, vielmehr prozesshaft zu verstehen sind.
Phase 1: Anamnese, Diagnostik, Beziehungsaufbau, Instruktion
In dieser Phase liegt der Schwerpunkt der Behandlung darauf, dass die KlientIn im Kontakt mit der TherapeutIn Sicherheit, Verlässlichkeit und Vertrauen erfahren - oder im Falle von schweren Traumafolgestörungen nach und nach erfahren kann.
Menschen, die Trauma überlebt haben, waren Hilflosigkeit, Ohnmacht, oder extremer Unsicherheit ausgeliefert. Deshalb soll die therapeutische Behandlung sich durch einen akzeptierenden, wertschätzenden, verlässlichen und klaren Behandlungsrahmen auszeichnen. Die einzelnen Therapieziele und die Therapiedauer werden zwischen KlientIn und TherapeutIn besprochen und ausgehandelt. Die TherapeutIn klärt über Symptome und die Entstehung des Störungsbildes auf und schlägt Therapievorgehensweisen vor, so dass ein stabiler Behandlungsrahmen entstehen kann.
Zur Herstellung von äußerer Sicherheit gehört zudem die Aktivierung von Unterstützung und Sicherheit gebenden Helfersystemen und Ressourcen im sozialen Umfeld der Betroffenen. Insbesondere gehört dazu, sich über mögliche schädigende Beziehungen und Beziehungsmuster Klarheit zu verschaffen und einen angemessenen Umgang damit zu finden.
Zu Beginn der Traumatherapie gilt es, im geschützten therapeutischen Rahmen ein Gefühl von Sicherheit für den traumatisierten Menschen wieder erfahrbar zu machen. Die Wahrnehmung und die Realisierung von Sicherheit im Hier und Jetzt sind eine unabdingbare Voraussetzung, um für inneren Schutz und Sicherheit für traumatisierte und abgespaltene, sogenannte dissoziative Selbstzustände sorgen zu können. Dadurch können quälende und verunsichernde Zustände mit der Zeit beendet werden.
Durch Flashbacks und dissoziative Selbstzustände erleben sich Traumatisierte häufig wie gefangen in ihrem eigenen "Trauma-Film".
Ein differenzierter und kontrollierter Umgang mit den angstmachenden Symptomen kann erlernt werden, darüber hinaus auch die notwendige Unterscheidung zwischen der Vergangenheit - das ist mir damals passiert - und der Gegenwart - hier und heute bin ich sicher.
Phase 2: Stabilisierungsphase und Traumabearbeitung- Vorbereitungs-Phase - Ressourcenmobilisation
In dieser Phase gilt es, Hilfreiches, Unterstützendes, Kraftschenkendes, Wohltuendes aufzuspüren, wieder, oder neu zu entdecken und in seinem Alltag zu verankern.
Traumatisierte Menschen können einen selbstbestimmten Umgang mit ihren Symptomen lernen. Es geht darum zu lernen, mit überflutenden, Angst auslösenden Bildern, negativen Gedanken, Gefühlen, Körperempfindungen und Verhaltensweisen umgehen zu können und stimmige Ablenkungs- und Distanzierungsmethoden zu entwickeln.
Gleich wichtig ist es, sich darauf zu besinnen, was einem Selbst und dem Körper gut tut, um sich (wieder) wohl zu fühlen und die eigenen Selbstheilungskräfte zu mobilisieren.
Zentrale Anliegen in dieser Traumatherapie-Phase sind auch der Aufbau hilfreicher, unterstützender Beziehungen und das Bemühen, den eigenen Alltag (wieder) freudvoll zu gestalten und zu pflegen.
Mit Hilfe von inneren Dialogen, wie sie in der Ego-State-Therapie angewandt werden, können traumatisierte Menschen in dieser Phase der Therapie behutsam Kontakt zu ihrer "inneren Welt" aufnehmen. Damit können traumatisierte, oft dissoziativ abgespaltene und möglicherweise ressourcenvolle Selbstanteile kennengelernt und verstanden werden.
Die Erfahrung von innerer Sicherheit, Schutz und Geborgenheit für die verletzten und traumatisierten Selbstzustände mit Hilfe von innerem Dialog und Imaginationsübungen (der gedanklichen Vorstellung von heilsamen Bildern) ist ein wichtiges Anliegen in dieser Traumatherapie-Phase. Zentrales Augenmerk liegt auf dem Verstehen und dem hilfreichen Umgang mit selbstschädigenden Ich-Zuständen, ebenso wie dem Nutzen der ressourcenvollen Zustände.
Im Fall von schweren dissoziativen Störungen ist diese Traumatherapie-Behandlungsphase sehr vielschichtig und kann mehrere Jahre dauern.
Phase 3: Trauma-Verarbeitungsphase
Wenn nach wie vor seelisch belastende Gefühle, Gedanken, Bilder, Körperempfindungen und Verhaltensweisen , oder assoziierte Glaubenssätze und Albträume ein gutes Leben verhindern oder unmöglich machen, kann mit Hilfe von schonenden, spezifischen Trauma verarbeitenden Methoden traumatisch belastendes Material durchgearbeitet werden. Somatic Experiencing, EMDR, Bildschirm-Technik (Screen-Verfahren) sind äußerst effektive Therapieverfahren in der Bearbeitung von Trauma.
Oftmals kann eine Traumatherapie bereits mit erfolgreicher Stabilisierungsphase beendet werden. Von zentraler Bedeutung für die Trauma-Durcharbeitung ist, dass die KlientIn in dieser Phase bereits so stabil und seelisch gefestigt ist, dass sie sich selbst regulieren, selbst beruhigen und entspannen kann. Auch ist entscheidend, sich wenigstens phasenweise von traumatisch belastendem Erlebten distanzieren zu können und verletzte Selbstzustände in Sicherheit bringen zu können.
Die KlientIn entscheidet mit Hilfe der TherapeutIn, ob und wie eine Trauma-Verarbeitung erfolgen soll.
Die Methode der Bildschirm-Technik (Screen-Verfahren) nutzt den Effekt der inneren Distanzierung, um eine bewusste Verarbeitung des Traumas zu ermöglichen. Über einen gedachten Bildschirm oder eine innere beobachtende Instanz wird der Kontakt mit der traumatischen Erfahrung und Erinnerung hergestellt.
Ziel ist, dass bislang abgespaltene Gefühle Gedanken, Bilder, Körperempfindungen und Verhaltensweisen durch bewusste Verarbeitung des Traumas in die Persönlichkeit integriert werden können und damit ihre Bedrohung für die Betroffenen verlieren.
Abhängig von der Schwere und der Vielschichtigkeit des Trauma, können mehrere solcher Sitzungen nötig sein, die sich möglicherweise über einen längeren Zeitraum erstrecken.
Phase 4: Trauerphase, Neuorientierung und Integration
In diesem letzten Abschnitt der Traumatherapie geht es darum, in einer Rückschau die traumatischen Erfahrungen mit den dazugehörigen Gefühlen, Gedanken, Bildern, Körperempfindungen und Verhaltensweisen hinter sich zu lassen, gleichsam das Kapitel des Buches zu schließen und ein neues aufzuschlagen.
Ziel ist es, dass das ehemals Bedrohliche als etwas zwar Geschehenes, aber bereits Vergangenes in die Persönlichkeit integriert werden kann.
Zum Abschluss der Traumatherapie geht es darum, neue Hoffnungen, Pläne und Lebensziele zu entwickeln und sich im Hier und Jetzt und in der Zukunft neu zu orientieren, mit all den eigenen Potenzialen für ein selbstbestimmtes Weiterleben.